Rathaus, Schwert und Bibel
Ein mittelalterliches Rathaus mit den beachtlichen Abmessungen von 37 mal 14 Metern stand früher auf dem Marktplatz und nahm fast die gesamte Fläche der heutigen östlichen Markthälfte zwischen Eiche und Hamburger Straße ein.
Obwohl das Gebäude nach einem Brand um 1500 nicht mehr in der ursprünglichen Größe wiedererrichtet wurde, konnte die Stadt Mitte des 18. Jahrhunderts das immer noch stattliche Haus nicht unterhalten und es verfiel. Deshalb errichtete man auf dem Marktplatz in der Achse von Hamburger Straße - Schulstraße ein kleineres Rathaus von zehn mal zwölf Metern. 1825 wurde dieses Haus durch Brand zerstört. Danach zog das Rathaus in die Südostecke des Marktes.
Nach bereits 50 Jahren wurde dieser Bau zu klein. Unter Hinzunahme von weiteren Hausstellen errichtete man deshalb 1879 nach Entwürfen des damaligen Landesinspektors Langen das in Baustil und Material für die Region sehr ungewöhnliche Rathaus. Es ist ein kastellartiger Klinkerbau mit zinnenbekrönten Uhr- und Ecktürmchen. Der etwas trutzhaft wirkende Tudorstil fand in ganz Deutschland wenig Verbreitung. Es war auch das erste Gebäude, das in sichtbarem Ziegelmauerwerk in der Stadt errichtet wurde, wenn man von der Stadtmauer absieht. Die damaligen städtischen Bauherren wollten sich ganz offensichtlich ganz bewusst von der sonstigen Putz- und Fachwerkbebauung der Altstadt absetzen.
Vor 1945 befanden sich in dem Gebäude die Sparkasse, die Stadtpolizei und die Gefängniszellen. Der Keller des Rathauses diente in den Kriegsjahren auch als Luftschutzkeller.
In der Nacht vom 1. zum 2. Mai 1945 hissten Superintendent Fritz Leutke und weitere beherzte Bürger, wie Erich Friede, Adolf Selle und Otto Stier, auf dem Rathausturm die weiße Fahne und retteten Kyritz vor der Zerstörung. Ihnen zum Gedenken wurde 2006 eine Ehrentafel am Kyritzer Rathaus angebracht. Als am 2. Mai 1945 Truppen der Sowjetarmee die Stadt kampflos einnahmen, wurde im Rathaus die sowjetische Stadtkommandantur eingerichtet. Nach 1945 zog ins Rathaus das Kreisgericht, später das Amtsgericht ein und im oberen Stockwerk gab es einen Gerichtssaal. Außerdem hatten die Staatsanwaltschaft sowie das Kreissekretariat der Nationalen Front Räume im Rathaus. Auch die 1948 gegründete Stadtbibliothek wurde zunächst im Rathaus untergebracht.
Viele wertvolle zeitgeschichtliche Dokumente wurden beim Rathausbrand von 1825 vernichtet, mit Ausnahme des Bassewitzschwertes, mit dem der Raubritter Bassewitz im Jahre 1411 hingerichtet wurde, sowie einer seltenen Kölnischen Bibel aus dem Jahre 1478. Bassewitzschwert und Bibel sind heute im Ratssaal ausgestellt.
1994 wurden in einem ersten Bauabschnitt die straßen- und marktseitige Fassade sowie Fenster, das Tor und die Eingangstür aufgearbeitet. Der im Jahr 2005 abgeschlossene Bauabschnitt umfasste die Sanierung des Daches, der hofseitigen Fassade sowie die Umgestaltung des Rathaushofes. Gleichzeitig wurde ein barrierefreier Zugang in das Rathaus geschaffen. Mit Sanierung und Umbau entstand das Bürgerbüro neu. In den Jahren 2011/12 wurde das Gebäudeinnere saniert. Derzeit wird ein Fahrstuhl eingebaut.