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Diercke-Geburtshaus

Vorschaubild Diercke-Geburtshaus

Marktplatz 14
16866 Kyritz

Wer heute älter als 12 – 13 Jahre ist, hatte in der Schule das Fach Erdkunde/ Geogrsfie, und bei dem Namen Diercke erinnern sich viele an den Diercke-Schulatlas. Urheber des heute noch verwendeten Weltatlasses war der in Kyritz geborene Carl Friedrich Wilhelm Diercke.

Carl Dierckes Vater kaufte im Januar 1839 das Haus Am Markt 18. Das dreigeschossige, vom Bauvolumen dominante und in den Obergeschossen fachwerksichtige Haus mit der heutigen Adresse Marktplatz 14 steht auf einem der größten Grundstücke in der Altstadt. Hofseitig hat es einen ebenfalls dreigeschossigen Seitenflügel und dürfte ehemals auf mindestens zwei Grundstücken errichtet worden sein.

Am 15. September 1842 wurde Carl Diercke als zweites Kind der Eheleute Louise Dorothee, geb. Müller, aus Stenda und Carl Daniel Friedrich Diercke in diesem Haus geboren. Eingeschult wurde Carl Diercke im Revolutionsjahr 1848, als die aus heutiger Sicht katastrophalen schulischen Bedingungen auch ein Grund für das revolutionäre Aufbegehren gegen die noch feudal geprägten gesellschaftlichen Verhältnisse waren.

Nach dem frühen Tod des Vaters 1852 heiratete seine Mutter einen Lehrer, in dessen Folge die Familie mehrfach umzog und Carl Diercke neben Kyritz auch in Salzwedel und Berlin zur Schule ging. 1858 wurde Carl Diercke konfirmiert,  und nach dem Abitur absolvierte er von 1860 bis 1863 in Berlin ebenfalls eine Lehrerausbildung, die er mit Examina zur Lehrbefugnis für die Fächer Chemie, Französisch, Geografie, Geometrie, Latein, Naturgeschichte, Pädagogik und Rechnen 1865 abschloss. Im gleichen Jahr begann er eine Tätigkeit als Privatlehrer in Riga, das damals zum russischen Zarenreich gehörte. 1870 erfolgte eine Berufung als Seminarlehrer nach Berlin, wo er ein Jahr später Marie Ottilie Lucas heiratete. 1873 wurde Carl Diercke nach Stade versetzt, wo er ein Jahr später Direktor des Königlichen Lehrerseminars für Volksschullehrer wurde.

Hier begann er mit dem Zeichnen von Landkarten, die Klarheit und Übersichtlichkeit prägten und für Lernende gut verständlich waren. 1883 erschien bei Westermann in Braunschweig die 1. Auflage des „Schulatlas über alle Teile der Erde“ für höhere Lehranstalten, den er gemeinsam mit Eduard Gaebler herausgab und deren Auflagenzählung bis zur 189. Auflage im Jahr 1975 beibehalten wurde. Als Credo formulierten die Herausgeber im Vorwort der ersten Ausgabe: „Maßgebend bei der Bearbeitung des Atlas waren die drei allseitig anerkannten Forderungen, dass die Karten RICHTIG, SCHÖN und ZWECKMÄSSIG sein müssen“.

Der Erfolg führte 1885 zur Berufung als Direktor des Lehrerseminars in Osnabrück sowie zur Ernennung zum Regierungs- und Schulrat und 1904 zum Geheimen Regierungsrat. Von 1899 bis zu seinem Ruhestand 1908 bekleidete er das Amt des Schuldirektors in Schleswig.  Danach zog er in die damals noch selbständige Stadt Wilmersdorf – heute ein Stadtteil von Berlin -, wo er am 7. März 1913 mit 70 Jahren starb. Beerdigt ist er auf eigenen Wunsch in Schleswig-Friedrichsberg, wo seine Frau bereits 1907 verstorben war.

Auf dem heutigen Grundstück Marktplatz 14 steht noch das Geburtshaus von Carl Diercke. Es wurde vor 1821, vermutlich sogar Ende des 18. Jahrhunderts errichtet und blieb wie die nördliche Häuserreihe des Marktplatzes von den letzten großen Stadtbränden verschont. Das Gebäude war offensichtlich bereits als Wohn- und Gasthaus mit Ausspanne errichtet worden, denn als eines der ersten Gebäude der Stadt besaß es ein massives Erdgeschoss. Aufgrund der Breite der Erdgeschosswände von mehr als einem halben Meter ist zu vermuten, dass es zumindest teilweise aus Feldsteinen errichtet wurde. Es ist auch das einzige Gebäude in der Stadt, dessen Eingang durch ein schlichtes Sitznischenportal gefasst ist, dass sich bis heute erhalten hat. Über dem massiven Erdgeschoss wurden zwei weitere Wohngeschosse in Fachwerkbauweise errichtet, und somit dürfte das Gebäude zu seiner Bauzeit eines der größten Profanbauten in der Stadt gewesen sein.

Auf früheren Fotos von Anfang des 20. Jahrhunderts ist noch das westlich angrenzende giebelständige Nachbargebäude in Fachwerkbauweise erhalten, dessen Größe und Kubatur für die bürgerlichen Wohnhäuser der Stadt um 1800 typisch gewesen sein dürfte. Die übrigen Gebäude der nordwestlichen Häuserreihe des Marktes sind, wie später auch das Nachbarhaus, Anfang des 20. Jahrhunderts überwiegend als dreistöckige Gebäude neu errichtet worden, meistens ebenfalls durch Zusammenlegungen von Grundstücken.

Die Familie Diercke zählte bereits über mehrere Generationen zu den brauberechtigten Bürgern der Stadt, und der Vater Carl Dierckes betrieb eine Brauerei und eine Gaststätte, die den Namen „Zur weißen Taube“ getragen haben soll. Auf dem Grundstück befanden sich im Hof ein Brauhaus, ein Malzhaus, drei Ställe und weitere Nebengebäude. Damit zählte der Standort im 19. Jahrhundert zu den vier genannten Brauhäusern der Stadt, die die Bewohner mit Bier versorgten. Im Jahr 1868 firmiert das Anwesen als Kyritzer Stadtbrauerei und etwa zwei Jahrzehnte später erwirbt die Dessower Schlossbrauerei das Grundstück einschließlich Eiskeller in der Brunnerstraße. Wie die Bauakten aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts belegen, sind die Brauereigebäude im Hof mehrfach umgebaut worden. Offensichtlich sind nach 1886 zumindest Teile des Brauprozesses nach Dessow verlegt worden. Die Brauerei Dessow nutzt den Standort bis 1989 als Niederlassung und Kelterei.

Nach teilweisem Leerstand der Gebäude auf dem großen Hof erwerben im November 1994 zwei Investoren das Grundstück. In den Jahren 1998 bis Februar 2000 wurde das Hauptgebäude für 668.000 Euro und einem Förderbetrag von 406.000 Euro im Zuge der Städtebauförderung der Altstadt saniert. Seit einer Zwangsversteigerung im Jahr 2013 hat das Grundstück einen neuen eigentümer.

Ein Jahr nach dem 175. Geburtstag von Carl Friedrich Wilhelm Diercke wurde sein Geburtshaus im März 2018 als Denkmal des Monats der Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischem Stadtkern“ des Landes Brandenburg ausgezeichnet.